In Memoriam an Joey
Gute Reise, mein Freund!
Als wir uns 2018 entschlossen haben, einem Greyhound ein Zuhause zu geben, hatten wir schon ge- hört und gelesen, dass Greys anders sind, als alle anderen Hunde. In Schleswig-Holstein war ich eine Zeit lang Hobbyzüchter und hielt ein Rudel von neun wunderbaren Deutschen Schäferhunden. Ich meinte recht gut gerüstet zu sein, um auch einem „ganz anderen“ Hund einen schönen Ruhestand bieten zu können. Bereits bei meiner ersten Begegnung mit JOEY war mir klar, dass ich in Sachen Hundeverstand ziemlich von vorne anfangen musste.
Wir haben uns für den Pechvogel entschieden, der beinahe eine Couch gehabt hätte und dann doch wieder gehen sollte. Wir haben ihn in Berlin abgeholt. Die Übergabe fand auf der Straße statt. Da stand ein ziemlich unsicheres Wesen in seinem Mäntelchen. Ich ging zu ihm herunter, nahm sein Kopf in die Hände und er schaute mich mit warmen, freundlichen Augen an. Ohne große Auffor- derung sprang er in unser Auto und wir waren noch nicht einmal auf der Autobahn nach Hause, da war er bereits fest eingeschlafen.
Es folgten sechs wunderbare Jahre mit einem wunderbaren Hund, der nicht nur anders war, weil
er ein Grey war. JOEY war auch völlig anders, als alle anderen Greys, die wir gesehen oder erlebt haben. Wir beide verstanden uns durch Blicke. JOEY hat in sechs Jahren vielleicht 20 mal gebellt. Meist war dann irgendwo ein anderer Windhund, den er freudig begrüßte. Für alles andere reich- ten uns Blicke und kleine Gesten. Wie es ihm ging, zeigte er uns „ohne Worte“. Wenn ich den Müll wegbrachte, gab er an der Wohnungstür manchmal ein sehr leises Jaulen von sich. Meine Frau kommentierte das dann: „Oh je, der Mann ist weg!“ Das waren jedesmal die längsten fünf Minuten seines Lebens.
Fast scheint es mir überflüssig zu erwähnen, dass JOEY in sechs Jahren niemals irgend etwas kaputt gemacht hat. Er blieb auch klaglos länger alleine. JOEY hatte zwar vor einigen Dingen und Situatio- nen Angst, aber er vertraute rückhaltlos, dass „der Mann“ immer wieder kommt.
Am 1. April war JOEYs 13. Geburtstag. Er ist ein Alter Herr geworden. Am 8. Mai musste ich mich von meinem Freund verabschieden. Ich hatte wieder seinem Kopf in meinen Händen und er schaute mich wie immer freundlich an, als er einschlief. Gute Reise, JOEY!
JOEY ist sicher ein ganz besonderes Exemplar unter den Greys gewesen. Vielleicht haben er und ich uns auch gesucht und zum Glück gefunden. Aber vieles in seinem Charakter ist sicher auch typisch für einen Greyhound. Falls Sie sich mit dem Gedanken tragen, einen Grey zu adoptieren, so kann ich nur raten: Tun Sie es! Nicht jeder Grey ist so ein vornehmer Gentleman, wie JOEY. Es gibt natürlich auch völlig andere Charaktere aber auch die sind genau das Richtige für die richtigen Adoptiveltern.
Choose, but choose wisely!
Wolfgang Schmelter